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„Schreibe einen Blogbeitrag“ – Wie ein Aufgabenformat im Sinne der informatischen Bildung authentisch im Fremdsprachenunterricht eingesetzt wird

„Schreibe einen Blogbeitrag“ – Wie ein Aufgabenformat im Sinne der informatischen Bildung authentisch im Fremdsprachenunterricht eingesetzt wird

Im niedersächsischen Kerncurriculum für das Fach Französisch (Gymnasium/Gesamtschule) heißt es: „Die Schülerinnen und Schüler können ihre Kenntnisse über die formale und stilistische Gestaltung der Textsorten einsetzen (z. B. analyse, commentaire, article, blog, lettre/e-mail, …)“[1]Niedersächsisches Kultusministerium (2017): Kerncurriculum für das Gymnasium – gymnasiale Oberstufe, die Gesamtschule – gymnasiale Oberstufe, das Berufliche Gymnasium, das Abendgymnasium, das … Weiterlesen Für das Fach Spanisch heißt es zur Teilkompetenz Schreiben, dass die vorgesehenen Themenfelder „anhand eines repräsentativen Spektrums an authentischen Sach- und Gebrauchstexten, medial vermittelten und diskontinuierlichen Texten sowie literarischen Texten behandelt [werden]“[2]Niedersächsisches Kultusministerium (2018): Kerncurriculum für das Gymnasium – gymnasiale Oberstufe, die Gesamtschule – gymnasiale Oberstufe, das Berufliche Gymnasium, das Abendgymnasium, das … Weiterlesen, zu diesen authentischen Sach- und Gebrauchstexten zählt das KC auch Blogs. In den Lehrwerken wird dementsprechend häufig ein Aufgabenformat gewählt, in dem die Schüler*innen einen Blogbeitrag zu einem Thema verfassen sollen.

Besonders authentisch ist dieses Aufgabenformat allerdings nicht. Allein das Verfassen eines Blogbeitrags mit Stift auf Papier wirkt unrealistisch, mehr noch hat das reine Verfassen eines beliebigen Textes nur wenig mit einem Blogpost zu tun. Ein authentischer Blogpost ist nicht nur irgendein Text. Er ist technisch für eine Veröffentlichung im Internet aufbereitet, zeichnet sich durch diverse Elemente wie z. B. Schlagwörter aus und in der Regel werden Blogposts von den Lesenden kommentiert. Dies sollte bei der Aufgabenstellung berücksichtigt werden, wollte man tatsächlich mit einer authentischen Textsorte arbeiten. Sonst stellt sich die berechtigte Frage, wozu das Aufgabenformat Blog dienen soll, wenn es sich nicht an realen Gegebenheiten messen lassen will. Nicht zuletzt trägt der Fremdsprachenunterricht durch die Berücksichtigung ebenjener Gegebenheiten zur informatischen Bildung bei und verfolgt so ein lebensweltrelevantes Ziel, wodurch er wiederum an Authentizität gewinnt.

Was aber ist es, das einen Blogpost von einem einfachen Text unterscheidet?

SEO

Suchmaschinenoptimierung ist etwas, mit dem sich alle (semi-)professionellen Blogger*innen zu irgendeinem Zeitpunkt ihres Schaffens auseinandersetzen. SEO, das heißt search engine optimization (sp. la optimización en motores de búsqueda, frz. l’optimisation pour les moteurs de recherche). Wer einen Blog schreibt, möchte natürlich, dass seine Blogposts gefunden werden. Das ist gar nicht so einfach, denn das Netz ist voll von Internetseiten und Blogs. Wer beispielsweise in Google den Suchbegriff „SEO“ eingibt, findet 673.000.000 Einträge (Stand 07/2021). Möchte man, dass seine Blogbeiträge möglichst weit oben in den Suchergebnissen auftauchen, muss man Suchmaschinen auf die richtige Fährte locken – das geht mit SEO. Wichtige Elemente, die es Suchmaschinen erleichtern, entsprechende Blogposts zu finden, sind u. a. folgende[3]Google (o.J.): So funktioniert die Google Suche. Abrufbar unter: https://developers.google.com/search/docs/beginner/how-search-works?hl=de[4]Google (o.J.): Startleitfaden zur Suchmaschinenoptimierung (SEO). Abrufbar unter: https://developers.google.com/search/docs/beginner/seo-starter-guide?hl=de[5]Dean Brian (2020): We analyzed 11.8 million Google search results. Here’s what we learned about SEO. In: Blacklinko. Abrufbar unter: https://backlinko.com/search-engine-ranking:

  • Querverweise von anderen Webseiten
  • Ein aussagekräftiger Titel
  • Zwischenüberschriften
  • Keywords/Schlagwörter
  • „description“-Meta-Tags (für Snippets)
  • Einfache URLs
  • Alt-Texte für Bilder

Eine Suchmaschine crawlt (von engl. to craw, dt. kriechen) automatisiert durch das Netz, um neue Webseiten zu finden. Ist der eigene Blogpost auf anderen Seiten oder in Sozialen Medien verlinkt, die sie bereits kennt, wird dieser Link beim crawling in das Suchverzeichnis aufgenommen. Nutzerfreundliche URLs sorgen dabei für mehr Verlinkungen.

Wenn die Suchmaschine einmal die Fährte aufgenommen hat, wird die Seite indexiert. Dafür analysiert sie die Inhalte und katalogisiert sie in einer Datenbank. Um die Indexierung zu erleichtern, sollten kurze und aussagekräftige Titel und Seitenüberschriften gewählt werden. Da Google und Co mit Text besser umgehen können als mit Bildern oder Videos, macht es auch Sinn, verwendeten Medien eine Bild- oder Videounterschrift zu geben.

Auf dem Bild wird gezeigt, wie in WordPress ein Alt-Text zu einem Bild hinzugefügt wird.
Alt-Text in WordPress

 

Noch besser ist es, wenn man ein Bild in einem kurzen Alt-Text beschreibt. Diese Beschreibung darüber, was auf dem Bild zu sehen ist, unterstützt insbesondere blinde Menschen, die Inhalte einer Webseite zu erfassen. Von ihnen zum Surfen verwendete Screenreader können Bilder meist nicht so gut „vorlesen“ wie Texte. Der Alt-Text hilft, die Inhalte eines Bildes „zu lesen“.

Wenn man für einen Blogpost kurze Schlagwörter und treffende Keywords vergibt, dann unterstützt dies ebenfalls die Indexierung. In der Vorschau werden dann sogenannte snippets (dt. Schnipsel) angezeigt, kurze Zusammenfassungen des eigentlichen Blogbeitrags, die über einen sogenannten „description“-Meta-Tag bereitgestellt werden. Diese Kurzbeschreibung des Blogposts sollte alle relevanten Informationen enthalten und informativ sowie interessant sein, um Leser*innen auf die Seite zu locken.

Beispiel eines Blog-Snippets (Vorschautextes)
Beispiel eines Snippets zu einem Blogpost

Suchmaschinen verwenden zudem weitere Hinweise, um auf die Relevanz einer Seite zu schließen[6]Google (o.J.): So funktioniert die Google Suche. Abrufbar unter: https://developers.google.com/search/docs/beginner/how-search-works?hl=de[7]Google (o.J.): Startleitfaden zur Suchmaschinenoptimierung (SEO). Abrufbar unter: https://developers.google.com/search/docs/beginner/seo-starter-guide?hl=de[8]Dean Brian (2020): We analyzed 11.8 million Google search results. Here’s what we learned about SEO. In: Blacklinko. Abrufbar unter: https://backlinko.com/search-engine-ranking:

  • Qualität der Inhalte (Ausführlichkeit)
  • Textumfang
  • Verweildauer auf der Seite
  • Absprungrate

Google sucht nicht einfach nur stumpf nach Schlagwörtern, sondern durchleuchtet Texte auch inhaltlich (und grammatisch), um auf ihre Qualität zu schließen. Dafür nutzt Google u. a. BERT, ein Algorithmus-Modell, das Texte und gesprochene Sprache linguistisch analysiert. Die künstliche Intelligenz erkennt semantische Zusammenhänge und schließt so auf den Kontext[9]Devlin, J.; Chang M.; Lee, K; Toutanova, K.: BERT: Pre-training of deep bidirectional transformers for language understanding. In: Arxiv. Abrufbar unter: https://arxiv.org/abs/1810.04805v2. Ein Thema sollte also ausführlich behandelt werden, denn auch der Textumfang spielt bei der Bewertung der Seite eine Rolle. Texte sollten aber nicht nur ausführlich sein, sondern auch interessant und ansprechend geschrieben, denn es wird gemessen, wie viel Zeit die Leser*innen auf der Seite verbringen (Verweildauer) und wann sie die Seite wieder verlassen (Absprungrate). Bleiben Leser*innen lange auf einer Seite, interpretiert die Suchmaschine dies als Zeichen von Qualität.

SEO im Fremdsprachenunterricht?

Der Blogbeitrag im Fremdsprachenunterricht ist zumeist keine sehr originelle Aufgabe, weil er schlichtweg das Schreiben eines Textes unter einem modernen Titel versteckt; mit einem echten Blogbeitrag hat das nur wenig zu tun. Um diese Aufgabe authentisch und spannender zu gestalten, sollte man Schüler*innen einen (semi-)authentischen Blogbeitrag schreiben lassen, der Rücksicht auf mediale Lesegewohnheiten und reale Gegebenheiten des Internets nimmt. So schreiben sie nicht nur einen fremdsprachlichen Text, sondern lernen, worauf es beim Verfassen eines echten Blogposts ankommt. Zudem beschäftigen sie sich insbesondere durch den Einsatz von Bildern mit dem Thema Barrierefreiheit. Dafür gestalten sie ihren Blogpost im Rahmen von SEO, was zudem positive Effekte auf ihre kommunikativen Fähigkeiten hat.

  • Sie wählen einen aussagekräftigen und interessanten Titel für einen Blogbeitrag
  • Sie strukturieren ihren Text klar und nutzen dafür Zwischenüberschriften
  • Sie sorgen für einen ausreichenden Textumfang, bearbeiten das Thema ausführlich und leser*innenfreundlich und achten auf inhaltliche, orthographische und grammatische Qualität
  • Sie vergeben Schlagwörter zu ihrem Text (Wortschatzarbeit!) und eine kurze (fiktive) URL
  • Sie fassen ihren eigenen Text zu einem kurzen Snippet zusammen
  • Wenn Bilder verwendet werden, nutzen sie Bildunterschriften und Alt-Texte zur Unterstützung sehbehinderter Menschen (Inklusion!)

Ein echter Blog

Natürlich ist es möglich, einen Blogbeitrag unter Einhaltung der benannten Kriterien mit Stift auf Papier oder in einem Textverarbeitungsprogramm zu verfassen. Wenn das Szenario allerdings realitätsnah sein soll, dann nutzt man ein Blogtool im Internet. Geeignet ist dafür z. B. WordPress. Dies ist kostenlos in der Nutzung, setzt aber eine Anmeldung und eine gewisse Einarbeitung voraus. WordPress bietet zudem den Vorteil, dass Blogposts auch privat und mit Passwort veröffentlicht werden können, sodass der Zugriff auf die Lehrkraft oder die Klasse beschränkt werden kann. Auch ist es den Schüler*innen möglich, ihre Blogposts gegenseitig zu kommentieren.

Wenn man auf die Kommentarfunktion verzichten kann, dann bietet sich der Instant-Blogging-Dienst https://telegra.ph an. Dort können Blogbeiträge anonym ohne Registrierung erstellt und veröffentlicht werden. Auch kann man audiovisuelle Medien einbinden. Nach der Veröffentlichung sollte allerdings dringend der Link zum Blog gespeichert werden, da ohne ihn kein Zugriff mehr möglich ist.

[Update: Im Februar 2023 erschien das von mir herausgegebene Heft „Digitales Schreiben“ von der Fremdsprachliche Unterricht Französisch im Friedrich Verlag. Hier gehe ich im Beitrag „Medien reflektieren, Medien gestalten: Bloggen zur Förderung der Schreib- und Medienkompetenz“ (S. 12-20) noch einmal ganz konkret auf die Textsorte Blog und die Potenziale des Bloggens im Fremdsprachenunterricht ein. Dort findet sich auch ein modellhafter französischsprachiger Blogbeitrag, anhand dessen die Schüler*innen ab dem 2. Lernjahr selbst die typischen Merkmale eines Blogs im Kontext des Themas „les médiasherausarbeiten können. Darauf aufbauend erstellen sie selbst Blogeinträge mit dem Arbeitsblatt „10 étapes pour rédiger une entrée de blog“. Ab dem 2. Lernjahr sind Blogposts zu Themen wie Sport, Hobby oder Medienkonsum denkbar, in höheren Lernjahren können auch aktuelle Themen von gesellschaftlicher Relevanz bearbeitet werden.
Blogs haben keine genrespezifischen Textmerkmale, sie teilen aber den Aspekt der Vernetzung und Interaktion (mit) der Leserschaft über die Kommentarfunktion. Deshalb sollte gerade den Kommentaren besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Da in einem Blog die Leser*innen-Kommentare von besonderer Wichtigkeit sind, gibt es natürlich auch ein Arbeitsblatt mit (sprachlichen und stilistischen) Tipps zum Verfassen von Kommentaren. Dazu gehört auch das Thema Netiquette, damit die Schüler:innen sich in reflektierter und sachlicher Netz-Diskussion üben. Denkt man an die wilden Kommentarspalten in Facebook und Co, wo in Anbetracht der Anonymität der User:innen Höflichkeit oft Mangelware ist, dürfte dieser Punkt einleuchten. Der Beitrag liefert daher auch eine „check-list de nétiquette“.
Festzuhalten gilt: Der Blog spiegelt mit seinen seinen Merkmalen Algorithmizität, Referentialität und Gemeinschaftlichkeit die Kultur der Digitalität wider und sollte entsprechend im Unterricht behandelt werden.]

References
1 Niedersächsisches Kultusministerium (2017): Kerncurriculum für das Gymnasium – gymnasiale Oberstufe, die Gesamtschule – gymnasiale Oberstufe, das Berufliche Gymnasium, das Abendgymnasium, das Kolleg. Französisch, S. 34.
2 Niedersächsisches Kultusministerium (2018): Kerncurriculum für das Gymnasium – gymnasiale Oberstufe, die Gesamtschule – gymnasiale Oberstufe, das Berufliche Gymnasium, das Abendgymnasium, das Kolleg. Spanisch, S. 15.
3, 6 Google (o.J.): So funktioniert die Google Suche. Abrufbar unter: https://developers.google.com/search/docs/beginner/how-search-works?hl=de
4, 7 Google (o.J.): Startleitfaden zur Suchmaschinenoptimierung (SEO). Abrufbar unter: https://developers.google.com/search/docs/beginner/seo-starter-guide?hl=de
5, 8 Dean Brian (2020): We analyzed 11.8 million Google search results. Here’s what we learned about SEO. In: Blacklinko. Abrufbar unter: https://backlinko.com/search-engine-ranking
9 Devlin, J.; Chang M.; Lee, K; Toutanova, K.: BERT: Pre-training of deep bidirectional transformers for language understanding. In: Arxiv. Abrufbar unter: https://arxiv.org/abs/1810.04805v2
Von Jennifer Wengler

Jennifer Wengler ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Romanischen Seminar der Leibniz Universität Hannover und Autorin von Unterrichtsmaterialien (z.B. für das Lehrwerk ¿Qué pasa? Nueva Edición) und populärwissenschaftlichen Fernseh- und Radiobeiträgen.

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